Drastischer Abbruch der Förderung der Freien Darstellenden Künste im Bundeshaushalt 2023

23. Nov. 2022

Kaltstart nach Neustart mit 2 Millionen Euro statt 16,5 Millionen Euro: Die mit viel Aufwand über die Corona-Zeit hinweg stabilisierte Freie Darstellende Kunstszene in Deutschland wird durch den jüngst verabschiedeten Bundeshaushalt 2023 kaltgestellt. Die mit großem Zuspruch aufgenommenen, reformierten Programmlinien stehen vor dem Aus oder werden radikal unterbrochen. Von sechs Programmlinien mit 20 Antragsfristen bleibt voraussichtlich nur eine Programmlinie mit maximal zwei Antragsfristen.

Der Fonds Darstellende Künste hat während der Pandemie Förderprogramme auf den Weg gebracht, die weit über die Krise hinausweisen und langjährig bekannte Desiderate der Förderarchitektur erstmals realisieren. Das Zusammenspiel der Instrumente gewährleistet Planungssicherheit für freischaffende Künstler*innen, befördert länderübergreifend Austausch, Zusammenarbeit und Sichtbarkeit, verstetigt Produktions- und Arbeitsstrukturen und erschließt als Anreiz für Kommunen und Länder zur Ko-Finanzierung auch kulturelle Grundversorgung für strukturschwache Regionen bundesweit und in allen Genres der Freien Darstellenden Künste.

Für die sinnvolle Weiterführung und -entwicklung aller Programmlinien wäre nach Berechnungen des Fonds ein jährliches Volumen von 16,5 Millionen Euro nötig: Ein deutlich degressiver Ansatz gegenüber 164 Millionen Euro von 2020 bis 2022 aber ein progressives Zeichen für die nachhaltige Verantwortung des Bundes gegenüber einer bundesländerübergreifenden Künstler*innenschaft und ihrer ebenso bundesweiten wie trans- und internationalen künstlerischen Arbeit. „Es geht nicht darum mit den gleichen Fördersummen aus NEUSTART KULTUR, sondern mit der gleichen Förderarchitektur weiterarbeiten zu können.“, betont Holger Bergmann, Geschäftsführer des Fonds.

Die vorgesehenen Mittel des Bundeshaushalts bleiben mit 2 Millionen Euro weit dahinter zurück. Fünf der sechs Förderprogramme nnen 2023 nicht fortgeführt werden für individuelle künstlerische Recherchen, Residenzen an internationalen wie regionalen Spielstätten, Wiederaufnahmen in die Spielpläne der Theater oder auch an Schulen und soziokulturellen Zentren, Dialog-, Netzwerk- und Qualifizierungsangebote für Freie Darstellende Künstler*innen stehen künftig keine Mittel mehr bereit. Die ebenso etablierte wie wegweisende dreijährige Konzeptionsförderung kann erstmals seit ihrer Einführung 2009 im November nicht ausgeschrieben werden.

Dabei belegen wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit der Reformprogramme und fordern ihre Verstetigung (Vgl. „Transformationen der Theaterlandschaft“, transcript 2022). Kunstschaffende und Interessensverbände loben die Ausrichtung der Förderangebote auf die künstlerische Arbeitspraxis und zeichneten den Fonds Darstellende Künste jüngst mit dem Bühnenheld*innenpreis aus: „Es ist zu großen Teilen der beharrlichen kulturpolitischen Arbeit des Fonds Darstellende Künste zu verdanken, dass die Strukturen der Förderlandschaft modernisiert und den tatsächlichen Bedarfen der freien darstellenden Künste angepasst werden“. Künstler*innen unterstreichen als Expert*innen ihrer eigenen Praxis die Wirksamkeit der Förderprogrammatik. Bereits im Sommer betonte bspw. Elke Weber vom Performancekollektiv SheShePop im Interview auf Deutschlandradio Kultur: „Mit NEUSTART KULTUR hat der Fonds Darstellende Künste ein ausdifferenziertes Programm vorgelegt, das der Vielfalt der freien Szene erstmals gerecht wird. Wieder auf Null zu gehen, kommt einer Katastrophe gleich.“

Mit dem aktuellen Haushalt stehen die Freien Darstellenden Künste nun vor einem verlorenen Förderjahr, das sich ohne Korrekturen im Haushalt 2023 deutlich bis ins Jahr 2024 hineinziehen wird. „Der Fonds Darstellende Künste ist um eine Schadensbegrenzung bemüht. Wir werden im Sinne der Freien Darstellenden Künste agieren und versuchen, die massiven Einschnitte mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit von Antragsvolumen und Förderquoten zu moderieren. Dazu stehen wir weiterhin im engen Austausch mit Interessensverbänden, Bundeskulturförderfonds aber auch kulturpolitischen Vertreter*innen auf Ebene der Kommunen, Länder und des Bundes.“ fasst Bergmann die aktuelle Situation zusammen. Neben einer Kompensation für 2023 mahnt der Fonds schon jetzt eine Berücksichtigung der Mittelanpassung im Bundeshaushalt 2024 an.

Künstler*innen, Gruppen und Interessensvertretungen haben im vergangenen halben Jahr eindringlich vor einem Förderabriss nach NEUSTART KULTUR gewarnt. Ihre Stimmen und Standpunkte zur Haushaltsentwicklung 2023 u.v.m. sind hier veröffentlicht.

Auf dem Fonds-Blog sind zahlreiche, während NEUSTART KULTUR realisierte künstlerische Projekte portraitiert (#ARTikel).